Selten war ein Tag widersprüchlicher: ein Ort des Massentourismus und die unberührte Natur des Hochlands. Einsamkeit im Lavafeld, mit gefühlten 1.000 Touristen an Islands berühmtestem Naturphänomen dem Gullfoss. Unterwegs im südlichen Hochland….
Start auf feindlichem Gebiet 😉
Morgens sprechen wir wieder über die isländische Truppe, die uns gestern frech aus der Hütte geworfen hat.
Nach einem kurzen Frühstück im Schneeregen, wollen starten. Doch der weiße Landy von Stefan und Sabine schlägt weiter Alarm – Motorleuchte rot. Heute ist ganz eindeutig der zu niedrige Ölstand schuld. Wir helfen mit einem Liter aus.

8:30 Uhr Start vom Struktur – Camping
Kurz die Straßennummern der Tour heute: F210, F261, Hvolsvöllur, 1 bis Krokur rechts weiter auf 30, weiter auf 35 bis Gullfoss, weiter 35, links ab auf F335, kleine Hütte unter dem Gletscher Langjökhull.
Ein Stück geht es zurück entlang der Wegstrecke von gestern, dann fahren wir Richtung Westen durch uns unbekanntes Terrain.

WOW – ein großes Lavafeld. Wegmarkierungen hindurch gibt es nicht. Langsam kriechen wir hinein.

Utopisch – fahren wir wirklich gerade über diese einst fließenden Steine? Über Lava, die sich einst rot glühend über die Hochebene geschoben hat, um dann in bizarren Formen zu erstarren? Mein Kopfkino lässt das Feld rot glühen und dampfen. Blubbernd ergeben sich Steinformationen, Rauchwolken formen Fabelwesen. Respekt – der Respekt vor der Naturgewalt lässt mich erschauern
Anschließend durchfahren wir einen langen grünen Canyon. Ein Bilder-Stopp folgt dem Nächsten und ein WOW-Effekt folgt dem Nächsten.


Back to the civilisation
Die Zivilisation kündigt sich an: Dacia – Duster, Suzuki – Jimmy, Toyota – Rav und weitere Kleinwagen. Alle sind ungeeignet für die kommende Piste. Sie rauschen viel zu schnell heran, setzen auf bei Ausweichmanövern und sind mit entsetzten Gesichtern der Insassen, angesichts der Aufsetzgeräusche, schups vorbei . Laut eines deutschen Auswanderers den wir trafen, führen die Asiaten die Unfallstatistik auf Island an.

Wir erreichen die Ringstraße. In der Kleinstadt Hvolsvöllur – 1.000 Einwohner – kaufen wir ein. Eine Autowäsche ist auch dran. Fast jede N1 Tankstelle bietet eine kostenlose Waschstation. Ein dicker Wasserschlauch für die Vorwäsche und eine kleinerer mit einer Art Besen, selbst ist der Mann. Von dort geht die Reise weiter nach Norden, Richtung Gullfoss.
Die Hvítá – der Fluß zum Wasserfall Gulfoss
Die Hvítá ist ein wasserreicher Gletscherfluss, wird aus dem Langjökull gespeist. Es ist schwer den wilden Fluß zu durchqueren, es gibt nur 2 Furten. Der Sage nach, ist er bei wenig Wasser mit Vorsicht und guter Kenntnis zu durchwaten. Je näher wir dem Gullfoss kommen, desto voller wird die Straße, desto mehr Busse sind zu sehen.
Aus Liebe durch die Hvítá
Von Weitem ist die wehende Gischt des Gullfosses zu erkennen. Oberhalb des Wasserfalles gibt es viele schäumende Stromschnellen, die durch ein hier sehr breites Flußbett fließen. Dort soll der Geschichte nach, der Schafhirte Porto Guðbrandsson, durch den Fluß gewatet sein, um seine Auserwählte Gudrun Þóroddsdóttir zu treffen. Die zwei haben sich von Kindheit an, über Jahre, über den Fluß hinweg beim Schafe hüten gesehen, unterhalten und Gefallen aneinander gefunden haben. Die Hochzeit folgte. So geschehen um 1690.




Parkplatz am Gullfoss
Wir kommen an, am riesigen überfüllten Parkplatz des Gullfosses. Schrecklich, am liebsten würde ich sofort wieder umdrehen – ich hasse diesen Auftrieb. Busse und Autos schieben sich aneinander vorbei. Dazu nieselt es schon wieder. Ich bin genervt.
Ich steige aus, ziehe mir die Kapuze über den Kopf und stapfe los. Die anderen sind irgendwo hinter mir, ich will mich nicht unterhalten.
Gullfoss – glitzernde Schönheit
Dann kommt der Wasserfall in Sicht. Der „Goldene Wasserfall“, so die Übersetzung, trägt seinen Namen zurecht. Noch mal: WOW
Die Sonne blitz durch die Wolken, mit einem Regenbogen begrüßt mich der imposante Wasserfall. Ich habe die Menschen um mich herum vergessen, schaue wie hypnotisiert in die rechte Ecke des Wasserfalles. Golden scheinen die Tropfen hinabzusteigen, springen, tanzen, produzieren bunte Farben im Spiel mit der Sonne.

Mein Blick schweift über den gesamten Wasserfall. Über die Ecke eines Dreiecks schwappt milchig, schäumend das Wasser im 90 Grad Winkel hinab. Wie eine Pfeilspitze zeigt der Fels in den Canyon. Die Sonne versteckt sich wieder.

Ein paar Daten zum Gullfoss
Die Wassermassen stürzen sich über zwei Stufen 32 Meter in einen 60 – 70 Meter tiefen und 25 Kilometer langen Canyon. Den Canyon hat sich der Fluß über 10.000 Jahre erarbeitet und jährlich wird er 25 cm länger.
Angeblich ist es bei einem Islandbesuch ein Muss für gekrönte, ungekrönte Staatsoberhäupter und andere „wichtigte“ Menschen, den Gullfoss zu besuchen.
Geschichte des Gullfosses
Schon lange pilgern Menschen zum Wasserfall, damals hoch zu Ross, oder zu Fuss. Und schon lange wollten ausländische Geldmagnaten den Wasserfall besitzen.
Am Wasserfall steht ein Denkmal von Sigríður Tómasdóttir. Sie hat den Wasserfall geliebt. Die engagierte Dame führte Interessierte hinauf zum Wasserfall und verhinderte den Bau eines Wasserkraftwerkes. Sie hat sogar mit dem Freitod in den Fluten des Wasserfalles gedroht, um ihr Anliegen durchzusetzen. Sie verstarb 1957 mit 85 Jahren und hat sich Zeit ihres Lebens für den Erhalt des Naturphänomens eingesetzt – vielleicht die erste Naturschützern Islands?

Übernachtung Hagavatn
Meine Gedankenwelt um den Wasserfall entschwindet. Die vielen Touristen sind wieder da. Ich schiebe mich durch das völlig überfüllte Touristenzentrum zum 00. Das macht mich aggressiv. Geduld am Ende – nur weg hier. Tipp, wie immer: früh morgens, spät abends, besteht die Chance auf ein wenig Ruhe am Wasserfall.
Die Reifen rollen weiter. Noch einmal blicke ich zurück in die schäumende Gischt über dem grünen weiten Grasland. Dann wird es wieder ruhig um uns – Schotterpiste – unser Landy holt sich die eben entfernte Patina zurück. Eine kleine gelbe Berghütte taucht rechts von uns auf. Hier bleiben wir für heute Nacht…



Übrigens, der Toilettengang ist hier eine besondere Freude. Abseits gelegen, kann die Tür offen bleiben, ein herrlicher Blick in die Natur…

September 2018
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Hi, noch so ein wunderbarer Bericht! Ihr werdet Island vermissen!
Wünsche euch eine gute Heimfahrt und LG.
Wunderschön und wieder ein toller Bericht. Was die Menschenmassen und Menschen allgemein angeht, kann ich Dich mehr als nur verstehen. Ich kann das auch nicht ertragen und macht mich krank. Manche bezeichnen mich als misanthrop, 😀 aber ich denke das kommt immer aufs gegenüber an ;-)Also wenn wir einen Landy haben, denken wir über eine Toilettenlösung nach, da ich noch mehr autark sein möchte. Euere Aufnahmen sind ja wieder mega, Fernweh ohne Ende. Weiterhin gute Fahrt und liebe Grüße an Euch. Bis bald, Sylvio von Dummy-Photographie